KI im Kontext der Qualitätssicherung
Die statistische Prozesskontrolle (SPC), eine bewährte Methode zur Anomaliedetektion in Fertigungsprozessen, wurde vor rund einem Jahrhundert von Walter A. Shewhart ins Leben gerufen. In dieser herkömmlichen Praxis werden Qualitätsmerkmale an fertig produzierten Teilen in diskreten Fertigungsprozessen mittels physischer Messungen überprüft. Stichproben werden in regelmäßigen Zeitabständen aus dem Prozess entnommen, und statistische Kenngrößen wie der Mittelwert und die Standardabweichung werden analysiert und in Shewhart Regelkarten vermerkt. Doch die klassische SPC weist im Zeitalter der Digitalisierung einige Nachteile auf, darunter Zeitverzögerungen bei der Anomalieerkennung, retrospektive Bewertung des Prozesses und univariable Analyse der Qualitätsmerkmale, die die Beziehung zwischen ihnen vernachlässigt. Zudem unterstützt sie nicht ausreichend bei der Ursachenanalyse, was zu einem erhöhten Ressourcenaufwand führt.
Zielstellung
Im Rahmen des Forschungsprojektes KompAKI wurde ein neuartiger Ansatz entwickelt, der diese Nachteile adressiert und mit Hilfe von KI, den Prozess anhand von Prozessdaten live überwacht. Das Ziel dieses Ansatzes ist es, Anomalien während der Bearbeitung sowohl zu detektieren als auch zu lokalisieren. Genauer, bei der Detektion einer Anomalie wird ein Lokalisierungsmechanismus aktiviert, der dem verantwortlichen Personal den entsprechenden Prozessschritt farblich hervorhebt, bei dem die Anomalie detektiert wurde. Hierdurch wird die betroffene Stelle im Prozess markiert an der die Ursachenanalyse ansetzen muss, um die Anomalie schnellstmöglich zu beheben. Der Ansatz wurde an einem CNC-Fräsprozess implementiert in dem Komponenten für die Herstellung eines Pneumatik Zylinders produziert werden. Mit Hilfe des Systems ist es möglich den Prozess kontinuierlich zu überwachen und Anomalien zu detektieren und zu lokalisieren, sobald diese auftreten.
Projektergebnisse
Eine Nutzerstudie wurde durchgeführt, um die entwickelte KI-basierte multivariate In-Prozess SPC mithilfe des Demonstrators an der DMC 50H Fräsmaschine hinsichtlich Usability und psychischer Beanspruchung von Maschinenbediener:innen zu evaluieren und mit der univariaten Post-Prozess SPC zu vergleichen.
Die erhobenen quantitativen und qualitativen Daten deuten darauf hin, dass Maschinenbediener:innen einer Integration des Demonstrators im Rahmen der KI-basierten multivariaten In-Prozess SPC positiv gegenüberstehen. So wird die empfundene Usability der KI-basierten multivariaten In-Prozess SPC höher als die empfundene Usability der univariaten Post-Prozess SPC eingestuft. Die Ergebnisse zur empfundenen psychischen Belastung sowie die Interviewergebnisse zeigen, dass die KI-basierte multivariate In-Prozess SPC gegenüber der univariaten Post-Prozess SPC den Maschinenbediener:innen im derzeitigen Entwicklungsstand zwar eine Entlastung auf den Ebenen der zeitlichen und körperlichen Anforderungen, aber eine Belastung auf der Ebene der geistigen Anforderungen bringt. Die Fehlererkennungsrate von 100 % und vergleichsweise schlechte Quote der Ursachendetektion in der KI-basierten multivariaten In-Prozess SPC machen deutlich, dass der entwickelte Demonstrator Maschinenbediener:innen zwar sehr gut in der Detektion von Bauteilanomalien, aber nicht ausreichend in deren Ursachenfindung unterstützt. Schließlich deuten die Fertigungsprotokolle darauf hin, dass die Ursachenfindung zum einen vom Anomalietyp abhängt und zum anderen starken interindividuellen Unterschieden unterliegt.